Die gefährliche Rede vom „Schuldkult“ der Deutschen

(David Berger) „Hört endlich auf mit dem Schuldkult“, „Der Schuldkult ist die Ursache für die Grenzöffnung Merkels“ – solche und ähnliche Aussprüche hört man immer öfter im Lager derer, die sich gerne als „Patrioten“ bezeichnen. Die Problematik dieses Begriffs ist dabei den wenigsten bewusst.

Aufgrund heftiger Aggressionen rechtsextremer Kreise gegen meine Person wurde ich in den Diskussionen der letzten Wochen immer wieder mit dem Begriff „Schuldkult“ konfrontiert. Er wird meistens von den „neuen Rechten“, gelegentlich aber auch einigen Liberal-Konservativen gebraucht.

Bei „Schuldkult“ handelt es sich, das sollten alle zuerst wissen, die ihn gebrauchen, um einen Begriff, der von ehemaligen Nationalsozialisten im Kontext der Entnazifizierung erfunden wurde. Er soll die nach dem Ende des Dritten Reiches entstandene Erinnerungskultur im Hinblick auf die Verbrechen des nationalsozialistischen  Deutschlands, besonders die Schoa, entwerten.

Immer wieder entsteht dadurch der Eindruck, dass mit dem Gebrauch des Begriffs mehr oder weniger bewusst der Versuch gemacht wird, die Verantwortung für die Verbrechen der Nationalsozialisten und deren Folgen zu verharmlosen. Dabei unterstellt man allen, die von diesen Verbrechen sprechen, dass sie dies demagogisch zur Unterdrückung Deutschlands und zur Verhinderung der Entstehung eines neuen Nationalismus tun. Sehr oft wird dann im gleichen Atemzug betont, dass die NS-Verbrechen auch nicht schlimmer seien als die Kriegsverbrechen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Brauchen wir eine erinnerungspolitische Wende?

In diesem Zusammenhang wird dann auch die Forderung erhoben, dass wir in unserer Erinnerungskultur eine Wende brauchen: Dass es Zeit ist, endlich den Jahren des Nationalsozialismus, diesem hyper-perversen Sozialismus, und den damit verbundenen Verbrechen der Schoah weniger Aufmerksamkeit zu widmen als bisher geschehen.

Alice Weidel hat dazu bereits Klartext gegen Höcke & Co gesprochen:

Bei dem Ruf nach einer „erinnerungspolitischen Wende“ begegnen wir häufig folgenden Argumenten:

„Was gehen mich die Verbrechen meiner Ururgroßväter und Mütter an? Wieso werde ich dafür heute noch haftbar gemacht? Ich habe doch keine Schuld an dem, was passiert ist!“

Und in der Folge dann:

„Dieses Schuldgefühl wird doch nur instrumentalisiert, damit wir Deutschen zu allem, von offenen Grenzen bis zu massenhaften Vergewaltigungen deutscher Frauen und Kinder durch Migranten, verschämt schweigen.“

(Achtung an die Qualitätsmedien und die damit verbundenen Zensurstellen: Das sind Zitate aus sozialen Netzwerken! Nicht meine Aussagen!)

Es gibt keine Kollektivschuld im Sinne einer „Solidarschuld“

arfa holocaustmahnmalZunächst ist es völlig korrekt: Eine persönliche Schuld gibt es bei jenen, denen die „Gnade der späten Geburt“ (Helmut Kohl) vergönnt war, tatsächlich nicht.

(Foto: Die Jüdin Orith Arfa im Gespräch mit PP am Holocaust-Mahnmal)

Auch gegen eine Kollektivschuld im Sinne einer „Solidarschuld“ haben sich schon 1945 kluge Köpfe, wie etwa der britisch-jüdische Verleger Victor Gollancz, ausgesprochen. Und das zu einem Zeitpunkt und unter Bedingungen, die alles andere hätten verständlich erscheinen lassen.

Das heißt, es ist geradezu „unsinnig, jeden einzelnen Deutschen der Naziverbrechen für schuldig zu halten– aus dem einfachen Grund seiner Zugehörigkeit zur deutschen Nation“ ( Benjamin Sagalowitz, 1950).

Etwas anderes freilich ist es, von „Versagen“ und damit auch „Schuld“ in historischen Zusammenhängen zu sprechen.

Ich bin in den Bundesrepublik Deutschland 1968 geboren. Ich habe dieses Land in meiner Kindheit und Jugend als meine Heimat, die mir alle Entfaltungschancen gab, schätzen gelernt.

Heimatliebe ist kein Verbrechen

In Bayern aufgewachsen und auf einer Klosterschule gebildet, war mein Unterricht noch so gestaltet, dass die deutsche Geschichte nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 reduziert war, wie die „Schuldkult“-Rufer immer wieder insinuieren. Sondern es war ein Unterricht, in dem auch die großen Zeiten unseres Volkes, seine Hochleistungen in Kunst und Kultur eine entscheidende Rolle in allen geisteswissenschaftlichen Fächern spielten.

Wenn ich mich recht erinnere, trat in dieser Zeit neben die einfache Liebe zur Heimat, die sehr regional auf das Frankenland und auf Bayern bezogen war, jene zu meinem Vaterland. Ich empfand zum ersten mal das Glück zu einem Volk zu gehören, das in seiner Geschichte neben Dunkelheiten eben auch viele lichte Sternstunden, von der Kaiserkrönung Karls bis hin zur friedlichen Revolution von 1989 kennt. Ein Volk, das ganz entscheidend die Geschicke Europas mitgeprägt hat. und noch heute schlägt mein Herz höher, wenn die Bayern- oder Deutschlandhymne erklingt.

Gott mit dir, du Land der Bayern,
deutsche Erde, Vaterland!
Über deinen weiten Gauen
ruhe Seine Segenshand!
Er behüte deine Fluren,
schirme deiner Städte Bau
Und erhalte dir die Farben
Seines Himmels, weiß und blau!

Je mehr ich mich mit der Geschichte und Gegenwart des jüdisch-christlichen Abendlandes beschäftigt habe, ist auch in mir die Freude daran gewachsen, selbst von dieser Kultur und Geschichte geprägt zu sein. Von jenem in den letzten Jahren auf einmal im Zusammenhang mit Pegida zum „Nazibegriff“ herabgewürdigten Abendland, in dem Menschen deutscher Sprache eine wichtige Rolle gespielt haben.

Das jüdisch-christliche Abendland gegen einen falschen Nationalismus

Es erfüllt mich nach wie vor mit Stolz, Kind des Abendlandes zu sein. Jenes Abendlandes, das im Mittelmeerrraum in der Antike geboren, aus dem Denken großer Geister wie Sokrates, Platon und Aristoteles hervor wuchs, vom Rechtsdenken und den strategischen Leistungen der Römer geprägt wurde.

Ein Erbe, das nach dem Untergang der Antike von der katholischen Kirche und ihren Geistesgrößen – wie einem Thomas von Aquin – bereichert wurde. Und ganz entscheidend auch durch den Einfluss der immerhin fast ein Jahrtausend prägenden Tradition des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ (962-1806) – weiter getragen wurde.

Ein stets in einem lebendigen Traditionsprozess und interkulturellem Austausch modifiziertes Erbe, das zunächst die Geburt der Universität und eines echten Wissenschaftsverständnisses, dann durch heftige Kämpfe (von dem Investiturstreit angefangen bis hin zur immer noch nicht ganz abgeschlossenen Kampf für die Trennung von Thron und Altar) hindurch Aufklärung und Säkularisierung ermöglichte.

Dieser Stolz und diese Freude ist jedoch immer verbunden mit dem Wissen um die tiefen Schatten, die neben diesen Lichtsäulen der Geschichte stehen:

Aristoteles, der mit Plato wie kein anderer für das Geistesgerüst der hellenistischen Kultur und damit die Geburt des Abendlandes steht, war auch der Lehrer eines Alexander, dem die Geschichte den Beinahmen des Großen gegeben hat. Und das obwohl er Tausende seiner Soldaten, seinen Geliebten und schließlich sich selbst für seine Machtgelüste und ein Denken, in dem sich (soweit wir das wissen) Idee und Ideologie vermischen, in den Untergang trieb.

Das Wissen auch darum, dass der Untergang der Monarchien im Zusammenhang des ersten Weltkrieges eigentlich mehr Demokratie hätte ermöglichen sollen, aber stattdessen Diktaturen in ganz Europa und damit dem Zweiten Weltkrieg den Weg bereitet hat.

Das Wissen darum, dass die katholische Kirche die Entwicklung der Menschenrechte über das christliche Ethos vorbereitete, stets ihre Stimme gegen übertriebene Nationalismen erhob, aber gleichzeitig noch bis vor wenigen Jahrzehnten den heidnischen Antisemitismus ideologisch vorbereiten half. Und nun wieder fast komplett versagen, wenn es um den Import von Millionen an Antisemiten nach Europa geht.

Und das Wissen darum, wie sehr das Volk der Dichter und Denker sich zum willfährigen Vollstrecker von verbrecherischen Barbaren hat machen lassen.

Neben dem Stolz steht auch tiefe Scham über die Verbrechen der Nationalsozialisten

So steht neben all dem Stolz auch immer die tiefe Scham über die Unheilsjahre in Deutschland und die damit verbundenen Verbrechen der Nationalsozialisten, zumal an den Juden, aber unter anderem auch an Homosexuellen, Katholiken, dem Adel und den Zeugen Jehovas – und an den angegriffenen Völkern der eigenen deutschen Bevölkerung.

Wer diese Geschichte näher betrachtet, sieht wie das Böse und die damit verbundene Schuld in ihrer enormen Macht ungeheuer starke Verflechtungen und Netzwerke bildet, die eine Dimension erreichen, in der kaum jemand mehr komplett unschuldig bleiben kann. Der damalige Papst Pius XII ist dafür ein anschauliches Beispiel.

Die Scham eines Abendländers auch darüber, dass man Osteuropa die Schande des Kommunismus angetan hat – mit all seinen Verbrechen, seinen Gulags und vielen anderen Widerwärtigkeiten, die (wie man am langen Arm der Stasi sieht) bis in unsere heutige Zeit fortwirken. Auch ein Teil Deutschlands wurde Opfer dieser verbrecherischen Ideologie und nicht wenige Deutsche haben sich in der Zeit des DDR-Regimes zu Mittätern gemacht. Auch hier ist das gezielte Vergessen eine Katastrophe, die sich derzeit besonders fatal auswirkt.

Ich werde jetzt nicht die Zahl der Opfer des Nationalsozialismus neben jene der Opfer des Kommunismus stellen, wie das nicht nur durch jene geschieht, die damit die Schandtaten der Nationalsozialisten relativieren wollen. Denn ich weiß natürlich, dass so wie kein Mensch letztlich mit dem anderen vergleichbar ist, auch keine Schuld mit der anderen abwägbar ist.

Deshalb taugen auch die nervenden, in ihrer letzten Konsequenz perversen Diskussionen über die exakte Opferzahl der jeweiligen Unrechtsregime, zu nichts. Aber darum geht es auch nicht.

Es geht viel mehr darum, dass es zu unserem eigenen Schaden geschieht, wenn wir – zumal auf programmatische Ansage – vergessen.

Denn – und ich sage das auch im Blick auf den Umbruch, den wir derzeit in Deutschland erleben – es sind immer ähnliche Mechanismen, mit denen Menschen zum Bösen oder zumindest zum Schweigen angesichts des Bösen getrieben werden. Der Sozialismus in seinen roten und braunen Ausprägungen hat noch immer eine ungeheure Macht.

Die Weisheit der immerwährenden Philosophie

Der Mensch – so eine der tiefen Weisheiten der philosophia perennis – verändert sich in seiner Natur nicht. Die conditio humana bleibt immer dieselbe. In den Menschen, die im Dritten Reich lebten, quälten und mordeten, gequält und ermordet wurden, floss das gleiche Blut wie in jenen, die heute lebten oder vor Jahrhunderten. Wir sind nicht weniger anfällig als sie für das Böse.

Wer vor dem alltäglichen Terror in Europa und unserem Vaterland nicht krampfhaft die Augen verschließt, der kann gar nicht anders als hier eine geradezu dämonische Besessenheit am Werk zu sehen.

Und immer wieder ist es das mysterium iniquitatis, das undurchdringliche Geheimnis des Bösen, dem der Mensch sich zuneigt in einer fast nihilistischen Ponderation, die ihm neben dem Streben nach dem Glück und damit dem Guten und der Tugend innewohnt.

Der Psychologe Carl G. Jung hat dieses Zusammen von dunklen und hellen Archetypen gar als konstitutionell für den ganzen Menschen und daher auch seine psychische Gesundheit gedeutet.

In diesen Einsichten aus Philosophie und Psychologie finden wir die Basis, warum und unter welchem Vorbehalt wir von einer Wiederholung der Geschichte sprechen können, was nichts anderes heißt, als dass wir den Menschen in seiner Größe, aber auch seiner Niedertracht und Schuld wieder erkennen.

Mir geht es in diesem Sinne darum, dass ich ebenso selbstbewusst, wie ich mich als Abendländer fühle und die Deutschland- und Bayernhymne mitsinge, die Deutschlandfahne mit Freude sehe und sage, dass ich Deutscher bin, mich schäme für das, was da Menschen Menschen, Europäer Europäern, Deutsche Deutschen angetan haben.

Echter Nationalstolz ist nur möglich, wenn wir die Schuld nicht verdrängen

Nur beides, Größe und Niederung, Stolz und Scham zusammen ist für mich – als Menschen, der immer wieder zum Bösen neigt und doch von Verzeihung und Gnade lebt – glaubwürdig.

Nur ein Körper mit Narben ist wirklich echt und daher schön. Für mich ist diese Selbsterkenntnis des einzelnen, der nach Aristoteles zoon politicon (gesellschaftliches Lebewesen) ist, auch die Basis für ein umfassenderes Denken. Das einen falschen übertriebenen und andere ausschließenden Nationalismus, der eine Superiorität welcher Hautfarbe oder „Rasse“ (?) auch immer postuliert, von einer tiefen und wehrhaften Liebe zum eigenen Vaterland, der angestammten Heimat unterscheiden kann.

Wer echten Nationalstolz bei den Deutschen wiedergewinnen will, auch um der von Antifa & Co tatsächlich schamlos instrumentalisierten Nazikeule und dem krankhaften Hass linksgrüner Kreise auf Deutschland etwas entgegen zu setzen, aber gleichzeitig die dunklen Stellen unserer Geschichte ausblenden und verstecken möchte, wird erbärmlich scheitern.

Statt die Feinde unserer offenen Gesellschaft und Demokratie zu bekämpfen, füttert er sie wider willen. Und nimmt die Gefahr in Kauf, dass der neue Faschismus, getarnt als Antifaschismus – erneut mit ähnlichen Opfergruppen – wieder Oberwasser gewinnen könnte. Nie wieder!

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Warum der virtuelle Scheiterhaufen gefährlicher als die Inquisition ist

Der Vergleich der modernen Zensur v.a. im Internet mit der Inquisition ist noch viel zu schwach. Was diese implizite und daher umso gefährlichere Zensur anzielt, ist die totale „damnatio memoriae“ von Menschen und ihrem Denken, so fern es nicht ins Konzept der gerade noch mächtigen Angstbeißer passt. Text: David Berger

In einem Gastkommentar für den „Zürcher Tagesanzeiger“ hat der über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannte Publizist und Informationsbeauftragte des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, die Zensurpolitik von Facebook genauer unter die Lupe genommen. Darin erwähnt er auch meine Sperrung:

„Oder das neueste Beispiel aus Deutschland: Der katholische Theologe und Islamkritiker David Berger äußerte sich nach dem Attentat von Orlando kritisch über den Islam, woraufhin seine Seite gesperrt wurde. Berger erklärte gegenüber einem christlichen Medienmagazin: ‚In Orlando richtet ein fanatischer Islamist ein Blutbad unter Schwulen an, und Facebook sperrt Nutzer, die Kritik am Islamismus üben.‘ Und weiter: ‚Die Inquisition war im Vergleich zu Facebook ein Hort der Fairness und Gerechtigkeit.‘“

Am Ende wie ein „Hund erstochen werden“ (Kafka)

Um dann zunächst völlig zurecht zu konstatieren:

„Bergers Reaktion ist verständlich, aber übertrieben. Bisher gibt es keine Scheiterhaufen für unbequeme User.“

Ja, die Reaktion war bewusst übertrieben und provokant – jeder, der mich als Autor etwas kennt, weiß, dass ich konstruktive Provokation liebe, um anzuregen. Besonders wenn es um ein Thema geht, das so fundamental ist: Wer jetzt hier nicht kämpft, riskiert – um mit Kafka und in einem Bild zu sprechen – am Ende wie ein „Hund erstochen zu werden“ – ohne dass das jemanden stört.

Aber dazu kommen wir noch. Zunächst: Was sollte der Vergleich mit der Inquisition? Also jener Behörde, die in ihrer spanischen und römischen Version, die Reinheit des katholischen Glaubens überwachen und dessen Kritiker in Zaum halten sollte. Der Vergleich der Inquisition mit der in Deutschland durch die Maas-Kahane-Kommission ganz speziellen Zensurpraxis von Facebook war nicht zufällig gewählt. Dabei steht die Zensurpraxis von Facebook allerdings nur als besonders eklatantes Beispiel dafür da – wie unter dem Vorwand, gegen rechte Hetze vorzugehen – von intoleranten Linkspopulisten eigentlich Parteipolitik gemacht wird.

Lieblingsargument: „Hetze“ und „Hassrede“

Ein gutes Beispiel dafür war die „Causa Pistorius“. Vor einiger Zeit hatte einer der Genossen von Justizminister Heiko Maas, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius einen Werbeboykott von nicht mit dem politischen Mainstream übereinstimmenden Internetseiten gefordert. Besondere Erwähnung fand dabei die Internetpräsenz der Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Sie gehöre zu den Seiten, „auf denen gehetzt wird, rassistische Parolen verbreitet werden, anonyme User sich ausbreiten mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Theorien, ihrem Hass auf andere“. Dies werde „durch Werbung erst ermöglicht“  und solle nun durch den Werbeboykott verunmöglicht werden.

Ein Magazin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hatte den Innenminister richtig verstanden und bedrängte die Werbekunden der der politischen Ausrichtung des SPD-Ministers nicht genehmen Seiten vor laufender Kamera so lange, bis diese genervt die Werbung einstellten.

“ Das Perfide an solcher Art Zensur: es gibt keine reale Widerspruchsmöglichkeit, keinen Rechtsweg gegen die Entscheidungen der Facebook-Inquisition“

Klandestine Zensur

Die Vorgänge passen treffend ins Bild einer zunehmend um sich greifenden impliziten bis klandestinen Zensur. Diese bestimmt immer mehr über die sowohl in den sozialen Netzwerken wie auf klassischem Wege veröffentliche Meinung. Da eine direkte Zensur nicht mehr möglich ist, fordert man Werbekunden auf, in Medien, die die eigene Politik kritisieren, nicht mehr zu werben. Oder man drängt den Buchhandel dazu, Bücher, die einem nicht ins Konzept passen, nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Um dann mit schlaumeierischem Lächeln zu sagen: „Hier wird doch nichts zensiert, wie leben in einer freien Marktwirtschaft!“

Jan-Andres Schulze hat fest gestellt, dass wir einer ähnlich sinisteren Situation auch bezüglich Facebook-Zensur begegnen, wo Heiko Maas die Meinungskontrolle nun privatisiert hat. Gepostet darf dort nur noch werden, was der von Facebook in Abstimmung mit Maas bei Bertelsmann errichteten Zensurbehörde gefällt. Das Perfide an solcher Art Zensur: es gibt keine reale Widerspruchsmöglichkeit, keinen Rechtsweg gegen die Entscheidungen der Facebook-Inquisition. Die mit Advokaten wie Steinhöfel durchgeführten Prozesse, die regelmäßig zu Jubelhymnen führen, sind entweder nur extrem gut betuchten Facebookern zugänglich – oder jenen, die (nach welchen Kriterien auch immer) auserwählt sind, sich den Prozess und die Anwaltskosten aus einem Spendentopf finanzieren zu lassen.

Bei ihrer Einführung war die Inquisition ein enormer Fortschritt in der Praxis der Rechtssprechung: zum ersten mal wurde dem Angeklagten klar gesagt, was man ihm zum Vorwurf macht, er konnte sich einen Anwalt nehmen und öffentlich verteidigen.

Die Inquisition war ein enormer Fortschritt in der Justizgeschichte

Und eben darin zeigt sie sich als Rückfall hinter die Fortschritte der Römischen Inquisition: Bei ihrer Einführung war die Inquisition nämlich ein enormer Fortschritt in der Praxis der Rechtssprechung, die ideologische „Vergehen“ verfolgte: zum ersten mal wurde dem Angeklagten klar gesagt, was man ihm zum Vorwurf macht, er konnte sich einen Anwalt nehmen und öffentlich verteidigen (lassen), hatte das Recht auf ein genau fest gelegtes „ordentliches“ Gerichtsverfahren.

Man lese dazu die aktuellen Forschungsergebnisse in dem von dem bekannten Historiker Hubert Wolf edierten Band „Inquisition, Index, Zensur: Wissenskulturen der Neuzeit im Widerstreit“ (Paderborn 2001).

„Selbst die katholische Inquisition hat es sich immer zur Devise gemacht, klar zwischen einem konkreten Werk auf der einen und der Person sowie den anderen Äußerungen des Autors auf der anderen Seite zu unterscheiden.“

Ähnlich krasse Aussagen ließen sich zum bereits angedeuteten Fall Pirinçci machen. Kurz nach dem de facto getroffenen Boykottbeschluss des deutschen Buchhandels gegen Pirinçci, der zudem auf einer durch die Medien falsch und sinnentstellend  wiedergegebenen Redepassage des bekannten Autors fußte, schrieb ich in einem viel beachteten Artikel für das linksliberale Magazin „telepolis“:

„Damit erleben wir derzeit einen in Deutschland nach 1945 nie gekannten Vorfall. So schnell kann man gar nicht schauen, wie Deutschlands wichtigste Buchhändler in voraufklärerische, ja vor-inquisitorische Verdammungspraktiken zurückfallen. Selbst die katholische Inquisition hat es sich immer zur Devise gemacht, klar zwischen einem konkreten Werk und der Person sowie den anderen Äußerungen des Autors zu unterscheiden.

Ob ein Werk auf den „Index der Verbotenen Bücher“ kam, durfte nur von dem abhängig gemacht werden, was in diesem konkreten Buch stand. Bis der Index der Verbotenen Bücher in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als letztes Relikt frühneuzeitlicher Aufsicht über das Denken der Menschen selbst von der katholischen Kirche abgeschafft wurde …

Rückfall in die voraufklärerische Barbarei

Es ist ein Abschied von jenem Denken, für das Voltaire und die anderen großen Philosophen Europas stehen. Es ist schlicht ein Rückfall in die voraufklärerische Barbarei – im Namen der Verteidigung der politischen Korrektheit, stößt man, überheblich lächelnd und sich dabei auch noch lobwürdig glaubend, der Freiheit ein Messer in den Rücken.

„Je ausgefeilter die Methoden einer solch indirekten Zensur durch den technischen Fortschritt werden, umso mehr drängt man Freigeister in Resignation, Sarkasmus und „Innere Emigration“

Um noch einmal zu Gracia zurückzukommen: All diese Möglichkeiten, die die Inquisition bot, gibt es für die heutzutage von Toleranzpredigern Zensierten nicht. Er fühlt sich vielmehr allzu oft wie der Angeklagte in Franz Kafkas berühmten Werk „Der Prozess“: Verhaftet, ohne sich irgend einer Schuld bewusst zu sein, wird er von einem ihm nicht bekannten Gericht angeklagt, weiß aber nicht weshalb und wie er sich rechtfertigen könnte. Nach einem Jahr gibt er frustriert auf, wird von zwei ihm unbekannten Herren abgeholt, um „wie ein Hund“ erstochen zu werden.

Was bleibt, ist nur noch die „Innere Migration“

„Wie ein Hund erstochen“: wenn wir schon bei historischen Vorbildern bleiben wollen, müssen wir ganz klar sagen: Im zentralen Kampf der Gegenwart um Aufmerksamkeit, ist das. was diese Feinde der Freiheit anstreben die totale „damnatio memoriae“ , die Verfluchung und demonstrative Tilgung des Andenkens an eine Person bzw. ihr Werk und Denken durch die Um- und Nachwelt.

Je ausgefeilter die Methoden einer solch indirekten Zensur durch den technischen Fortschritt werden, umso mehr drängt man Freigeister in Sarkasmus und „Innere Emigration“. Kein gutes Zeichen für den Zustand einer Gesellschaft, die sich einst bemühte, eine offene zu sein.

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Journalistische Offenlegung: Der Autor dieses Textes war selbst einige Zeit für die Glaubenskongregation (früher Inquisition) als Lektor tätig; und auch danach ein Verfechter der (damals in Planung befindlichen) Maßnahmen gegen „Hetze“ und „Hassrede“ in den Medien – bis er hinter die Kulissen blicken konnte und die perfiden Mechanismen des angeblichen Kampfes gegen rechte Hetze selbst zu spüren bekam.

Sachsen und Brandenburg: Wird die AfD zur neuen Volkspartei?

Dass die AfD gestern bei den Landtagswahlen die größten Gewinne einfahren konnte, ist unbestritten, der Jubel dort erst einmal sehr verständlich. Dennoch könnten die nun anstehenden Regierungsbildungen in Brandenburg, besonders aber in Sachsen den gesellschaftlichen Frieden weiter zerstören und der Entwicklung der AfD enorm schaden. Ein Kommentar von David Berger

Auch wenn sie in keinem der beiden Bundesländer stärkste Kraft wurde, konnten die Wahlergebnisse Alice Weidel gestern Abend zu dem Ausruf motivieren: „Wir sind Volkspartei!. Zudem kann man feststellen: Die Sachsen haben Schwarz-Blau und damit die konservativ-bürgerliche Wende für ihr Land gewählt.

Das klingt natürlich erst mal gut. Dennoch werden diese Wahlergebnisse – nach derzeitigem Stand – weder in Brandenburg noch in Sachsen zu einer Regierungsbeteiligung der AfD führen. Selbst in Sachsen, wo die Regierungsbildung schwerer als in Brandenburg wird und wo man mit einer „bürgerlichen Koalition“ aus CDU und AfD eine Regierung der CDU zusammen mit SPD und den Grünen verhindern könnte, herrscht eine enorme Angst vor einer Koalition mit der AfD. Oder besser gesagt, vor den Reaktionen aus ganz Deutschland auf dieses Experiment.

Mit x-beliebigen Koalitionen eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindern

Auch hier gilt die Devise: Was unsere Wähler wollen und was für unser Land am besten wäre, ist erst einmal zweitrangig, wichtigstes Ziel ist es mit x-beliebigen Koalitionen eine Regierungsbeteiligung der AfD zu verhindern. Dass die Sachsen eine schwarz-blaue Wende wollen, interessiert nicht. Stattdessen wird man ihnen wohl eine stark linksgrün beeinflusste Regierung vorsetzen.

Dass diese Koalitionen zu einer Art „Einheitspartei Deutschlands“ führen werden und gleichzeitig den Wählern, die immer öfter eine grundlegende Politikwende in Deutschland fordern, klar macht, dass diese nur mit einer extrem starken AfD gelingen wird, nimmt man in Kauf für das augenblickliche Gefühl zu den Guten in Deutschland zu gehören.

Kurzum: Dass man eine Regierungsbeteiligung der AfD mit allen legalen und teilweise justiziablen Mitteln (Sachsen: begrenzte Zahl der Listenkandidaten!) verhindern will, wird sie zahlenmäßig umso stärker machen.

Das Bild der „Schmuddelkinder“, mit denen keiner spielen will, erhalten

Zugleich könnte die Verweigerungshaltung von Kretschmer & Co, die die AfD nicht in die Regierungsverantwortung nehmen will, zu einer weiteren Stärkung der „Fundis“ innerhalb der Partei führen. Und damit die in den letzten Monaten auch von wichtigen AfD-Politikern immer wieder angesprochenen Gefahr eines Abrutschens der Partei in die sektenhafte, neurechte Sezession im Stile einer Sayn-Wittgenstein, eines Compact-Magazins oder von Schnellroda weiter vorantreiben.

Erneut drängt sich hier also der Eindruck auf, dass nicht nur neurechten Kreisen, den Mainstreammedien und Kahane & Co, sondern auch den Altparteien ein starker „Flügel“ Höckescher Prägung wie gerufen kommt, da er den bürgerlichen Wählern die Hoffnung auf eine konservative Wende mithilfe der Werte-Union und der AfD gründlich vermiest, weitere Gelder für den „Kampf gegen Rechts“ fließen lässt. Und das eigene „Nazi“-Geschrei dem durchschnittlichen, von den öffentlich-rechtlichen Medien erzogenen Wähler ansatzweise verständlich macht. Wie diese Propaganda funktioniert, hat Alice Weidel gestern gut im Gespräch mit einem ntv-Journalisten aufgezeigt (hier).

So kann man das Bild von den „Schmuddelkindern“ im politischen Sandkasten der Bundesrepublik fleißig weiter kultivieren.

Alice Weidel mit David BergerKurzum: So schön die Vorstellung von der AfD als einer neuen Volkspartei ist, so unwahrscheinlich ist es, dass sie sich verfestigt. Auch Politikerinnen wie Weidel fehlt es nicht selten an Klugheit und Sensibilität, die notwendig wären, damit die AfD zu eben jener Volkspartei wird.

Machen wir uns nichts vor: Der Leidensdruck derer, die „schon länger hier sind“, wird erst einmal weiter steigen, die AfD sich stärker an den „Fundis“ orientieren, so dass die Rede der sich immer mehr in linksgrünen Ideologien verstrickenden Altparteien von der AfD als „Nazi“-Partei zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden könnte.

Das böse Spiel wird weitergehen

Das alles mit der Folge, dass die Verwerfungen innerhalb der ohnehin politisch extrem aufgeheizten deutschen Gesellschaft schlimmer werden, die Kluft zwischen den „Guten“ und „Bösen“ immer größer, der gesellschaftliche Friede immer brüchiger. In Sachsen könnte man zeigen, dass einem dieses Land und seine Menschen, dieser gesellschaftliche Friede wichtiger ist, als die eigene, vom spalterischen System Merkel vorgegebene Parteidoktrin.

Mit einer solch schwachen und stets verunsichert wirkenden Figur wie Michael Kretschmer an der Spitze scheint dies aber kaum möglich. Das böse Spiel in Deutschland wird also weitergehen.

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