Der Vergleich der modernen Zensur v.a. im Internet mit der Inquisition ist noch viel zu schwach. Was diese implizite und daher umso gefährlichere Zensur anzielt, ist die totale „damnatio memoriae“ von Menschen und ihrem Denken, so fern es nicht ins Konzept der gerade noch mächtigen Angstbeißer passt. Text: David Berger

In einem Gastkommentar für den „Zürcher Tagesanzeiger“ hat der über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannte Publizist und Informationsbeauftragte des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, die Zensurpolitik von Facebook genauer unter die Lupe genommen. Darin erwähnt er auch meine Sperrung:

„Oder das neueste Beispiel aus Deutschland: Der katholische Theologe und Islamkritiker David Berger äußerte sich nach dem Attentat von Orlando kritisch über den Islam, woraufhin seine Seite gesperrt wurde. Berger erklärte gegenüber einem christlichen Medienmagazin: ‚In Orlando richtet ein fanatischer Islamist ein Blutbad unter Schwulen an, und Facebook sperrt Nutzer, die Kritik am Islamismus üben.‘ Und weiter: ‚Die Inquisition war im Vergleich zu Facebook ein Hort der Fairness und Gerechtigkeit.‘“

Am Ende wie ein „Hund erstochen werden“ (Kafka)

Um dann zunächst völlig zurecht zu konstatieren:

„Bergers Reaktion ist verständlich, aber übertrieben. Bisher gibt es keine Scheiterhaufen für unbequeme User.“

Ja, die Reaktion war bewusst übertrieben und provokant – jeder, der mich als Autor etwas kennt, weiß, dass ich konstruktive Provokation liebe, um anzuregen. Besonders wenn es um ein Thema geht, das so fundamental ist: Wer jetzt hier nicht kämpft, riskiert – um mit Kafka und in einem Bild zu sprechen – am Ende wie ein „Hund erstochen zu werden“ – ohne dass das jemanden stört.

Aber dazu kommen wir noch. Zunächst: Was sollte der Vergleich mit der Inquisition? Also jener Behörde, die in ihrer spanischen und römischen Version, die Reinheit des katholischen Glaubens überwachen und dessen Kritiker in Zaum halten sollte. Der Vergleich der Inquisition mit der in Deutschland durch die Maas-Kahane-Kommission ganz speziellen Zensurpraxis von Facebook war nicht zufällig gewählt. Dabei steht die Zensurpraxis von Facebook allerdings nur als besonders eklatantes Beispiel dafür da – wie unter dem Vorwand, gegen rechte Hetze vorzugehen – von intoleranten Linkspopulisten eigentlich Parteipolitik gemacht wird.

Lieblingsargument: „Hetze“ und „Hassrede“

Ein gutes Beispiel dafür war die „Causa Pistorius“. Vor einiger Zeit hatte einer der Genossen von Justizminister Heiko Maas, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius einen Werbeboykott von nicht mit dem politischen Mainstream übereinstimmenden Internetseiten gefordert. Besondere Erwähnung fand dabei die Internetpräsenz der Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Sie gehöre zu den Seiten, „auf denen gehetzt wird, rassistische Parolen verbreitet werden, anonyme User sich ausbreiten mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Theorien, ihrem Hass auf andere“. Dies werde „durch Werbung erst ermöglicht“  und solle nun durch den Werbeboykott verunmöglicht werden.

Ein Magazin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hatte den Innenminister richtig verstanden und bedrängte die Werbekunden der der politischen Ausrichtung des SPD-Ministers nicht genehmen Seiten vor laufender Kamera so lange, bis diese genervt die Werbung einstellten.

“ Das Perfide an solcher Art Zensur: es gibt keine reale Widerspruchsmöglichkeit, keinen Rechtsweg gegen die Entscheidungen der Facebook-Inquisition“

Klandestine Zensur

Die Vorgänge passen treffend ins Bild einer zunehmend um sich greifenden impliziten bis klandestinen Zensur. Diese bestimmt immer mehr über die sowohl in den sozialen Netzwerken wie auf klassischem Wege veröffentliche Meinung. Da eine direkte Zensur nicht mehr möglich ist, fordert man Werbekunden auf, in Medien, die die eigene Politik kritisieren, nicht mehr zu werben. Oder man drängt den Buchhandel dazu, Bücher, die einem nicht ins Konzept passen, nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Um dann mit schlaumeierischem Lächeln zu sagen: „Hier wird doch nichts zensiert, wie leben in einer freien Marktwirtschaft!“

Jan-Andres Schulze hat fest gestellt, dass wir einer ähnlich sinisteren Situation auch bezüglich Facebook-Zensur begegnen, wo Heiko Maas die Meinungskontrolle nun privatisiert hat. Gepostet darf dort nur noch werden, was der von Facebook in Abstimmung mit Maas bei Bertelsmann errichteten Zensurbehörde gefällt. Das Perfide an solcher Art Zensur: es gibt keine reale Widerspruchsmöglichkeit, keinen Rechtsweg gegen die Entscheidungen der Facebook-Inquisition. Die mit Advokaten wie Steinhöfel durchgeführten Prozesse, die regelmäßig zu Jubelhymnen führen, sind entweder nur extrem gut betuchten Facebookern zugänglich – oder jenen, die (nach welchen Kriterien auch immer) auserwählt sind, sich den Prozess und die Anwaltskosten aus einem Spendentopf finanzieren zu lassen.

Bei ihrer Einführung war die Inquisition ein enormer Fortschritt in der Praxis der Rechtssprechung: zum ersten mal wurde dem Angeklagten klar gesagt, was man ihm zum Vorwurf macht, er konnte sich einen Anwalt nehmen und öffentlich verteidigen.

Die Inquisition war ein enormer Fortschritt in der Justizgeschichte

Und eben darin zeigt sie sich als Rückfall hinter die Fortschritte der Römischen Inquisition: Bei ihrer Einführung war die Inquisition nämlich ein enormer Fortschritt in der Praxis der Rechtssprechung, die ideologische „Vergehen“ verfolgte: zum ersten mal wurde dem Angeklagten klar gesagt, was man ihm zum Vorwurf macht, er konnte sich einen Anwalt nehmen und öffentlich verteidigen (lassen), hatte das Recht auf ein genau fest gelegtes „ordentliches“ Gerichtsverfahren.

Man lese dazu die aktuellen Forschungsergebnisse in dem von dem bekannten Historiker Hubert Wolf edierten Band „Inquisition, Index, Zensur: Wissenskulturen der Neuzeit im Widerstreit“ (Paderborn 2001).

„Selbst die katholische Inquisition hat es sich immer zur Devise gemacht, klar zwischen einem konkreten Werk auf der einen und der Person sowie den anderen Äußerungen des Autors auf der anderen Seite zu unterscheiden.“

Ähnlich krasse Aussagen ließen sich zum bereits angedeuteten Fall Pirinçci machen. Kurz nach dem de facto getroffenen Boykottbeschluss des deutschen Buchhandels gegen Pirinçci, der zudem auf einer durch die Medien falsch und sinnentstellend  wiedergegebenen Redepassage des bekannten Autors fußte, schrieb ich in einem viel beachteten Artikel für das linksliberale Magazin „telepolis“:

„Damit erleben wir derzeit einen in Deutschland nach 1945 nie gekannten Vorfall. So schnell kann man gar nicht schauen, wie Deutschlands wichtigste Buchhändler in voraufklärerische, ja vor-inquisitorische Verdammungspraktiken zurückfallen. Selbst die katholische Inquisition hat es sich immer zur Devise gemacht, klar zwischen einem konkreten Werk und der Person sowie den anderen Äußerungen des Autors zu unterscheiden.

Ob ein Werk auf den „Index der Verbotenen Bücher“ kam, durfte nur von dem abhängig gemacht werden, was in diesem konkreten Buch stand. Bis der Index der Verbotenen Bücher in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als letztes Relikt frühneuzeitlicher Aufsicht über das Denken der Menschen selbst von der katholischen Kirche abgeschafft wurde …

Rückfall in die voraufklärerische Barbarei

Es ist ein Abschied von jenem Denken, für das Voltaire und die anderen großen Philosophen Europas stehen. Es ist schlicht ein Rückfall in die voraufklärerische Barbarei – im Namen der Verteidigung der politischen Korrektheit, stößt man, überheblich lächelnd und sich dabei auch noch lobwürdig glaubend, der Freiheit ein Messer in den Rücken.

„Je ausgefeilter die Methoden einer solch indirekten Zensur durch den technischen Fortschritt werden, umso mehr drängt man Freigeister in Resignation, Sarkasmus und „Innere Emigration“

Um noch einmal zu Gracia zurückzukommen: All diese Möglichkeiten, die die Inquisition bot, gibt es für die heutzutage von Toleranzpredigern Zensierten nicht. Er fühlt sich vielmehr allzu oft wie der Angeklagte in Franz Kafkas berühmten Werk „Der Prozess“: Verhaftet, ohne sich irgend einer Schuld bewusst zu sein, wird er von einem ihm nicht bekannten Gericht angeklagt, weiß aber nicht weshalb und wie er sich rechtfertigen könnte. Nach einem Jahr gibt er frustriert auf, wird von zwei ihm unbekannten Herren abgeholt, um „wie ein Hund“ erstochen zu werden.

Was bleibt, ist nur noch die „Innere Migration“

„Wie ein Hund erstochen“: wenn wir schon bei historischen Vorbildern bleiben wollen, müssen wir ganz klar sagen: Im zentralen Kampf der Gegenwart um Aufmerksamkeit, ist das. was diese Feinde der Freiheit anstreben die totale „damnatio memoriae“ , die Verfluchung und demonstrative Tilgung des Andenkens an eine Person bzw. ihr Werk und Denken durch die Um- und Nachwelt.

Je ausgefeilter die Methoden einer solch indirekten Zensur durch den technischen Fortschritt werden, umso mehr drängt man Freigeister in Sarkasmus und „Innere Emigration“. Kein gutes Zeichen für den Zustand einer Gesellschaft, die sich einst bemühte, eine offene zu sein.

***

Journalistische Offenlegung: Der Autor dieses Textes war selbst einige Zeit für die Glaubenskongregation (früher Inquisition) als Lektor tätig; und auch danach ein Verfechter der (damals in Planung befindlichen) Maßnahmen gegen „Hetze“ und „Hassrede“ in den Medien – bis er hinter die Kulissen blicken konnte und die perfiden Mechanismen des angeblichen Kampfes gegen rechte Hetze selbst zu spüren bekam.

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